Flugkünstler und Paarungsradler

In der Lobau wurden in einer aktuellen Untersuchung 43 Libellenarten festgestellt, vier davon gelten in Österreich als vom Aussterben bedroht. Damit ist die Lobau ein Libellen-Hotspot, beherbergt sie doch mehr als die Hälfte der in Österreich bekannten Arten.

Allerdings ist ein bedenklicher Rückgang vieler Arten feststellbar, was vor allem am Verlust von Wasserlebensräumen liegt. Dem könnte man durch Maßnahmen zu Verbesserung der Gewässerökologie und Dynamik entgegenwirken. In der Lobau wäre das die Aufgabe der Gemeinde Wien.

Libellen gehören zu den auffälligsten Insekten. Viele Arten sind groß und bunt und fallen durch ihre Flugkünste auf. Sie zeichnen sich durch rasante und wendige Flugmanöver inklusive Rüttel- und Rückwärtsflug und bemerkenswerte Fluggeschwindigkeiten aus.

Blaugrüne Mosaikjungfer

Die Blaugrüne Mosaikjungfer (Aeschna cyanea) etwa kann eine Spitzengeschwindigkeit von mehr als 35 km/h erreichen. Diese auch in der Lobau häufige Art findet sich schnell auch in Gärten mit Feuchtbiotopen ein.

Die Wendigkeit des Libellenfluges wird durch die komplexe Struktur und Steuerbarkeit der Flügel ermöglicht. Ein hochelastisches Protein verbindet die Längs- und Queradern der Flügel und sorgt – im Zusammenwirken mit einem hochentwickeltem Sinnesapparat – für deren enorme Belastbarkeit. Dadurch sind sie auch sehr effiziente Räuber, die ihre Beute – meist Insekten – im Flug fangen. Aber nicht nur für die Jagd sind die Flugkünste von Nutzen, auch die Paarung findet bei vielen Arten in der Luft statt.

Die Männchen der Mosaikjungfer jagen und patrouillieren in abwechselndem Schnell- und Standflug am Gewässer und inspizieren alles neugierig. Dabei wird auch nach anderen Männchen Ausschau gehalten, gegen die sie ihr Revier lebhaft verteidigen.

Die Weibchen kommen zur Paarung und Eiablage ans Gewässer. Bei der Paarung wird das Weibchen vom Männchen mit Hinterleibszangen am Nacken festgehalten. Im Tandem verfrachtet das Männchen seine Spermien von seiner Geschlechtsöffnung am Hinterleibsende in die weiter vorne liegende Samentasche.

Danach wird das sogenannte Paarungsrad oder Paarungsherz gebildet, bei dem das Weibchen sein Hinterleibsende nach vorne krümmt und sich, angedockt an der Samentasche des Männchens – im Flug – das Sperma abholt.

Die befruchteten Eier werden von den Mosaikjungfern in unterschiedliche Substrate in Wassernähe abgelegt.  Die Weibchen anderer Libellen-Arten deponieren die Eier in Pflanzenstängeln, im feuchten Schlamm oder direkt ins Wasser. 

Östliche Moosjungfer

Die wasserlebenden Larven sind gefräßige Räuber, die von Wasserflöhen und Mückenlarven bis zu Kaulquappen und Kleinfischen alles erbeuten, was ihnen vor die Fangmaske (eine vorschnellbare, dornenbesetzte „Unterlippe“) tanzt.

Ihnen kommt in der Nahrungskette sowohl als Räuber wie auch als Beute eine wichtige Rolle zu. Dass auch erwachsene Libellen ein wichtiges Fischfutter sein können, wurde dem Erstautor bei einer Beobachtung im Großenzersdorfer Arm in der Lobau eindrucksvoll vor Augen geführt:

Dutzende von Heidelibellen (Sympetrum sp.), die im Spätsommer im Tandemflug immer wieder in die Wasseroberfläche tippten, um Eier abzugeben, wurden in Serie von einem darunter lauerndem Schied (Leuciscus aspius, ein räuberischer Weißfisch) geschnappt und verschlungen. Eine Beobachtung, die Eiablage,

Larve der Großen Königslibelle (Anax imperator)

Tod der Elterntiere sowie Nahrungsaufnahme eines weiteren Räubers im Ökosystem im Schnelldurchlauf vor Augen führte!

Die Blaugrüne Mosaikjungfer ist nur eine von 43 Arten, die in der Lobau nachgewiesen wurden. Das ist etwa die Hälfte der in Mitteleuropa bekannten Arten. Zuvorderst zu erwähnen sind Nachweise von Östlicher Moosjungfer (Leucorrhinia albifrons) und Zierlicher Moosjungfer (Leucorrhinia caudalis), besonders geschützter Arten, die in Österreich als vom Aussterben bedroht gelten.

Ihr Vorkommen in der Lobau ist etwas Besonderes und sehr erfreulich. Weniger erfreulich ist der Verlust von Arten, die auf durchströmte Gewässer angewiesen sind.

Im Vergleich zum ursprünglichen Zustand in der ehemals dynamischen Aulandschaft wird der ökologische Zustand der Lobau aus libellenkundlicher Sicht daher als „unbefriedigend“ bewertet.

Zwei bestehende Wasserzuflussmöglichkeiten von der Neuen Donau werden bei weitem nicht ausgeschöpft. Zudem ist der Zufluss dieses Wassers in die Untere Lobau durch einen Dammbalken (und eine Verordnung der Stadt Wien!) verunmöglicht.

Kleiner Blaupfeil (Orthetrum coerulescens), Paarungsrad

Donauwasser, das bei Hochwasser durch den Schönauer Schlitz in die Lobau rückstaut, erhöht zudem noch den Eintrag von Schwebstoffen und Sediment, die die Verlandung der Gewässer zunehmend beschleunigt.

Fortschreitende Verlandung und Austrocknung werden mittelfristig den Verlust zahlreicher wertvoller Tier- und Pflanzenarten nach sich ziehen – so die Wiener Stadtverwaltung nicht endlich ernsthaft gegensteuert und maßgebliche Durchströmung der Gewässerzüge ermöglicht.

Wasser für die LobAU!

Text: Helmut Sattmann, Victoria Kargl, Iris Fischer (Naturhistorisches Museum Wien)              Fotos: Iris Fischer, Victoria Kargl       

Titelbild: Gemeine Heidelibelle (Sympetrum vulgatum) 

Kommentare

Leave a Comment